Ensemble Ascolta

SA, 11. SEPT 2021, 19:30 UHR | Musikhochschule Münster, Ludgeriplatz 1
Werke von Annette Schmucki  (UA), Peter Ablinger, Carlos Hernandez

Online-Vorverkauf hier!


Annette Schmucki
she’s leaving home. sand_schlamm_schnee_septett
(UA)

Peter Ablinger
JETZT/BLACKOUT
(aus: Instruments &)

Carlos G. Hernández
sin orejas


she’s leaving home. sand_schlamm_schnee_septett

Sieben Wörter. Sieben Textfragmente. Sieben Instrumentalist:innen mit einer je eigenen Stimme. Das neue Werk von Annette Schmucki basiert auf Satzteilen, die durch Reihung, Inhalt und persönliche Erinnerung eine Einheit bilden:

„bis zum aus weitergehen in spuren den fuss setzen in sand in schlamm in schnee“

Schmucki entwickelt aus diesem sprachlichen Fundament ihre Komposition she’s leaving home. sand_schlamm_schnee_septett (UA). Sie verlässt den Nahbereich und gibt die Wörter frei. Eine Suchmaschine spuckt Reise- und Schneeberichte aus. Verschiedene Stimmen sprechen die gleichen Fragmente und zerfasern die Struktur. Sprache und Bedeutung suchen einander. Wörter erhalten formgebende Funktion, triggern Einsatz und Klang. Die Komponistin lotet dabei bis ins kleinste Detail hinein die Möglichkeiten der Instrumente aus. Geschrieben für das Ensemble Ascolta fordert das Werk eine eingespielte Unabhängigkeit ein. Die Musiker hören je einer eigenen Audiopartitur zu, welche Einsätze, Dauern und Tonhöhen bestimmt, dabei jedoch durch ihre unterschiedliche Grundlage die Musik zum Wuchern bringt. In drei Teilen entsteht ein polyphones Geflecht und geht vom Unisono über Verschiebungen und Loops bis hin zu einer Gegenüberstellung von Linien und punktuellen Ereignissen.

„es ist ein stück über heterofonie. über die brüchige einheit von klang und zeit. über ausscheren, über alleingang. über einheitlichkeit des materials. über zusammenwohnen. über das zuhauseverlassen. was heisst es, zusammenzuspielen, ein ensemble zu sein.“

 

Annette Schmucki (*1968) arbeitet mit Sprache als Musik. Sie studierte Komposition bei Cornelius Schwehr und mathias spahlinger. Neben ihrer kompositorischen Arbeit (Musikwerke, Installationen, Performances, Texte) tritt sie auch solo als Performerin ihrer Sprechmusiktexte auf. Schmucki erhielt zahlreiche Preise und Stipendien und arbeitet in den Künstler:innenkollektiven blablabor (seit 2000), band (seit 2010), die sieben schweinsschwestern (seit 2010), kotombola (seit 2019). Ihre Werke werden von namhaften Ensembles und Festivals wie Ensemble Ascolta, Archipel, Collegium Novum Zürich, Villa Concordia, Ensemble Contrechamps, glfk halle süd, Lucerne Festival, Ensemble lemniscate, maulwerker, Musikfestival Bern, Ensemble proton, ensemble recherche, Staatsoper Berlin, Tage für Neue Musik Zürich, Usinesonore, Neue Vocalsolisten Stuttgart, WDR, Wien modern, Wittener Tage für neue Kammermusik in Auftrag gegeben und uraufgeführt.

Schmucki ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Sie lebt mit ihren zwei Söhnen im Jura bernois.

www.blablabor.ch/indexschmucki


JETZT/BLACKOUT

Mit JETZT/BLACKOUT (2016/17) hinterfragt Peter Ablinger nichts weniger als die Realität. Wieviel von dem, was wir wahrnehmen, ist Wirklichkeit? In Weiterführung von Schönbergs Diktum, sich in der Musik darauf zu konzentrieren, was es ist, konstatiert der Komponist: „Nicht alles was IST ist wirklich“. Intendiert undurchdringlich vermischt Ablinger heterogenes Klangmaterial. Er verwebt Elemente des Alltags, wie beispielsweise Live-Sounds des Fernsehsenders Al-Jazeera, mit Materialien der Musikgeschichte – vornehmlich aus dem letzten Satz von Beethovens 9. Sinfonie. Der zweite Teil des Werktitels, Blackoutsteht auf musikalischer Ebene als Synonym für die Synkope, das strukturgebende Hauptmotiv des Werks. Stets zu spät oder zu früh, markiert sie blinde Flecken, schwärzt Teile des Gewebes aus. Ablinger nennt als Beispiel den Chor der Ode an die Freude: A- (-lle Menschen werden… und fragt: „Denn was heißt hier Alle?“

www.ablinger.mur.at


In sin orejas (2019) des mexikanischen Komponisten Carlos G. Hernández kommt erst nach und nach eine verbindende Struktur zum Vorschein. Im Gegensatz zu dichten Klangnetzen erklingen hier zunächst Vereinzelungen. Ohne Ohren füreinander sitzen Posaune, Cello, Schlagzeug und Trompete singulär verteilt im Raum. Punktuelle Impulse, trotzige Soli und kratzbürstige Flächen werden dann jedoch ergänzt durch eine sich organisch entwickelnde Meta-Ebene. Hören als Grundbedingung des gemeinsamen Musizierens wird auf die Probe gestellt – mit ungewissem Ausgang.

www.carlosghernandez.com


Das Ensemble Ascolta bereichert seit 2003 mit besonderem Klangbild und außergewöhnlichen Projekten die Neue Musik-Landschaft in Deutschland und Europa. Inzwischen hat Ascolta über 250 Werke für seine spezielle Besetzung angeregt und uraufgeführt, darunter Werke von Pierluigi Billone, Chaya Czernowin, Beat Furrer, Isabel Mundry, Olga Neuwirth und Hans Thomalla. Das Ensemble gastierte bei nahezu allen wichtigen Festivals für Neue Musik (u.a. Donaueschinger Musiktage, Wittener Tage für neue Kammermusik, Festival Eclat Stuttgart, Lucerne Festival, Ultima Oslo, Wien Modern) und folgte internationalen Konzerteinladungen etwa in die USA, nach Singapur oder Israel.

Die Möglichkeiten szenischer Konzertformate interessieren die sieben Musiker ebenso wie Grenzgebiete zwischen neuer, alter und populärer Musik. In der Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus den Bereichen Video, Performance und Multimedia entstanden Projekte wie Der absolute Film und Schatten (in Kooperation mit ZDF/arte), Jennifer Walshes meanwhile, back at the ranch, Simon Steen-Andersens Inszenierte Nacht oder die musiktheatralische Produktion Vor dem Gesetz von Martin Smolka und Jiří Adámek.

www.ascolta.de

Sinfonieorchester Münster

DI, 21. SEPT 2021, 19:30 UHR | Theater Münster, Neubrückenstraße 63
Neues Auftragswerk von Thorsten Rasch: EXITs (UA)

Wiederholung am 22.09. um 19:30 Uhr sowie am 26.09. um 18:00 Uhr.
Für dieses Konzert gelten gesonderte Preise. Der Vorverkauf erfolgt über die Theaterkasse.


Torsten Rasch
EXITs (UA)

Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 24 c-Moll KV 491

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 Eroica

 

Sinfonieorchester Münster | Leitung: Golo Berg


Die großformatigste Veranstaltung der KLANGZEIT__#11, zugleich das erste Sinfoniekonzert der Saison 2021/22 am Theater Münster, beginnt mit der Uraufführung der Komposition EXITs (2021, UA) von Torsten Rasch. Sein Werk macht allein durch die Titelwahl den direkten Bezug auf das Thema der diesjährigen KLANGZEIT deutlich: Das vielseitige Programm thematisiert Exit als politischen Austritt, als Flucht, als persönliche Befreiung, kulturellen Ausstieg oder als erzwungenes Verlassen. Für Komponierende ist Musik eine Weise, mit einschneidenden Veränderungen unterschiedlichster Art umzugehen. So macht auch der Komponist Rasch seine persönliche Verarbeitung politischer Geschehnisse transparent, beispielsweise indem er eine Melodie durch einen ausweglosen musikalischen Irrgarten schickt:

„Eine Melodie, deren Wesen auf gewisse Art eine ganze Nation dazu bringt, die Augen und Ohren in die Richtung zu justieren, aus der sie erklingt, habe ich auf eine Reise durch ein Labyrinth geschickt, aus dem sie keinen Ausgang finden kann. Der Anlass war ein politisches Ereignis der jüngsten Vergangenheit. Obwohl ich nicht denke, dass Politik sich in Musik ‚übertragen‘ lassen kann, war dieses Ereignis aus persönlichen Gründen für mich sehr bedeutend und das Ringen dieser – natürlich gehörig verfremdeten Melodie – eine Möglichkeit, mich damit auseinanderzusetzen.“ (Torsten Rasch)

Ebenfalls auf dem Programm stehen Beethovens Eroica und damit eine revolutionäre, Musik gewordene Hoffnung auf eine humanere und freie Gesellschaft, sowie eines der wenigen Klavierkonzerte Mozarts in Moll, gespielt vom Spezialisten für historische Tasteninstrumente Sebastian Wienand.


Torsten Rasch

Torsten Rasch (*1965) studierte Komposition und Klavier in Dresden. Nach der Wiedervereinigung wanderte er nach Japan aus und komponierte dort zahlreiche Fernseh- und Filmmusiken. 2002 erhielt er einen Kompositionsauftrag der neu gegründeten Dresdner Philharmoniker. Sein in diesem Zuge entstandener Liederzyklus für Orchester Mein Herz brennt war der Startpunkt seiner Laufbahn als Komponist in Deutschland – die Aufnahme des Werks wurde mit dem Klassik-ECHO ausgezeichnet. Kurz darauf steuerte er Orchestrierungen für das Album Battleship Potemkim zweier Mitglieder der Pet Shop Boys bei. 2008 wurde seine erste Oper Rotter in Köln uraufgeführt, weitere Opern in London, Bern, Dresden folgten. Rasch schrieb Werke u.a. für das BBCSO, London Philharmonic Orchestra, Dresdner Philharmonie, Ensemble Resonanz, RIAS Kammerchor. 2019/2020 erhielt er ein Arbeitsstipendium in der Villa Massimo und wurde mit dem Rom-Preis der Deutschen Akademie Rom ausgezeichnet. Die Uraufführung seiner neusten Oper Die andere Frau in Dresden wurde coronabedingt auf 2022 verschoben. Torsten Rasch lebt in Berlin.

www.torstenrasch.com


Das Sinfonieorchester Münster, gegründet 1919, ist eine der tragenden Säulen des münsterschen Musiklebens und gewann in seiner bewegten Geschichte schnell überregionale Beachtung. Neben der Pflege des klassisch-romantischen Repertoires gehörte seit Anbeginn die Aufführung zeitgenössischer Musik zur DNA des Orchesters. Dieses Engagement, das sich bis in die 1970er Jahre kontinuierlich fortsetzte, führte schnell dazu, dass wiederum international bedeutende Komponisten nach Münster kamen. Bereits in den ersten Jahren seines Bestehens dirigierten etwa Hans Pfitzner (1921) oder Richard Strauss (1924) eigene Werke mit dem Orchester, später auch Paul Hindemith (1955). Seinen Rang als wichtigste Kulturinstitution Münsters festigte das Orchester unter den Generalmusikdirektoren Reinhard Peters (1961–1970), Alfred Walter (1970–1985) und Lutz Herbig (1985–1992). Als eines der ersten deutschen Orchester überhaupt initiierte es ab 1975 ein innovatives musikpädagogisches Programm, das schnell deutschlandweit Schule machte. Große überregionale Beachtung erfuhr das Orchester mit der kompletten Aufführung des Ring des Nibelungen von Richard Wagner in der Amtsperiode von Will Humburg (1992–2004). Unter Humburgs Leitung wurden auch die ersten CD-Einspielungen realisiert. Als Generalmusikdirektoren folgten ihm Rainer Mühlbach (2004–2007) und Fabrizio Ventura (2007–2017), der 2012 das Festival für geistliche Musik Musica Sacra ins Leben rief. Seit Beginn der Spielzeit 2017/18 bekleidet Golo Berg das Amt des Generalmusikdirektors, der bereits weitere starke Impulse zur Öffnung des Orchesters gegenüber einer immer vielfältigeren Stadtgesellschaft gesetzt hat. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen würdigen die Arbeit des Sinfonieorchesters Münster, darunter die Gustav-Mahler-Medaille (1981) und der Preis für das beste Konzertjahresprogramm Deutschlands durch den Deutschen Musikverlegerverband (1993). In den Jahren 2013 und 2015 führten Gastspieleinladungen das Sinfonieorchester Münster nach Mailand, Florenz und Modena.

www.sinfonieorchester-muenster.de

 

Decoder

DO, 23. SEPT 2021, 20:00 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Sarah Nemtsov: Roses for my funeral (Konzertfassung, Teil-Uraufführung)

Ein Abend mit dem Decoder Ensemble. Die Kompositionen von Sarah Nemtsov öffnen Räume zu Tod, Trauer, Trotz und Trost und sind zugleich ein Plädoyer für das Leben.

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Für alle, die nicht live dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, das Konzert im Streaming zu verfolgen. Klicken Sie dafür hier!


Sarah Nemtsov: Konzept, Komposition
Heinrich Horwitz: Mitarbeit Konzept und Dramaturgie
Rosa Wernecke: Lichtregie
Maximiliano Estudies: Klangregie

Decoder Ensemble
Sonja Lena Schmid: Violoncello
Leopold Hurt: Zither, E-Zither
Sebastian Berweck: Klavier, Keyboard
Jonathan Shapiro: Schlagwerk


Wie gehen wir in unserer Gesellschaft mit dem Tod um? Für Roses for my funeral (2018–20) haben sich die Komponistin Sarah Nemtsov und die Projektbeteiligten des Decoder Ensemble aus Hamburg, Heinrich Horwitz (Regie/Choreographie), Rosa Wernecke (Lichtdesign) und Maximiliano Estudies (Sounddesign) intensiv mit dem Thema befasst und die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema des menschlichen Verschwindens und Sterbens gesucht. Das Werk von Sarah Nemtsov öffnet Räume für die Beschäftigung mit dem Tod und all dem, was damit verbunden ist – und wirkt zugleich wie ein Plädoyer für das Leben. Die Komponistin selbst versteht Roses for my funeral als „Fabel über den Tod, über das Sterben und Verschwinden, über Krankheit und Schmerz, über Verlust, Trauer und Zorn. Zwischen Todessehnsucht und Todesfurcht. Wahn. Kampf. Resignation. Akzeptanz und Dankbarkeit. Nicht nur dunkel und düster, sondern auch licht. Momente von Trost und Trotz werden aufgespürt, Hoffnung, die Kraft von Liebe und Empathie. Letztlich ist der Versuch über den Tod der Versuch über das Leben. Inhaltlich geht es also um eine Art Bestandsaufnahme verschiedenster Aspekte von Tod, Verlust, Krankheit, Sterben. Eine Art bizarre Enzyklopädie.“ (Sarah Nemtsov)

Präsentiert wird eine Teil-Uraufführung in Form einer Konzertfassung des multimedialen Ensemblewerks. Video, produzierte Klänge sowie Live-Performance verschmelzen zu einer abendfüllenden Interpretation über ein kompositorisch verarbeitetes Anliegen, das als Einspruch gegen die gesellschaftliche Tabuisierung von Vergänglichkeit, Trauer und Schmerz zu verstehen ist.


Sarah Nemtsov (*1980) studierte Komposition bei Nigel Osborne, Johannes Schöllhorn und Walter Zimmermann sowie Oboe bei Klaus Becker und Burkhard Glaetzner. Sie erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. den Deutschen Musikautorenpreis der GEMA, den Busoni-Kompositionspreis der Akademie der Künste Berlin sowie den Oldenburger Kompositionspreis. Sie arbeitet mit namhaften Ensembles und Orchestern zusammen (Ensemble Adapter, ensemble mosaik, Neue Vocalsolisten Stuttgart, ensemble recherche, Ensemblekollektiv Berlin, Ascolta, Ensemble InterContemporain, Ensemble Accroche note, l’instant donné, Mivos Quartett, Enseble Vortex, Garage, Asasello Quartett, Lux:NM, Solistenensemble Kaleidoskop u.a.). Ihre Werke werden im Rahmen der Donaueschinger Musiktage, Ultraschall, MaerzMusik Berlin, Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, ECLAT, ISCM World New Music Festival, Festival Musica, Holland Festival, Wien Modern, Klangspuren Schwaz, FRUM Island, Bregenzer Festspiele, Israel Festival oder SPOR Dänemark aufgeführt. Ihre Opern wurden bereits an der Bayerischen Staatsoper, der Münchener Biennale sowie am Theater Halle (ur-)aufgeführt. 2013 erschien eine Portrait-CD in der Reihe Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats, 2018 erschien eine weitere unter dem Label WERGO.

www.sarah-nemtsov.de


Das Decoder Ensemble, gegründet 2011 in Hamburg, versteht sich als eine „Band für aktuelle Musik“. Die Formation, bestehend aus elektronischen und akustischen Instrumenten, zeichnet sich durch einen besonders charakteristischen, energetischen Sound aus, der sich vom Klangbild herkömmlicher Kammermusik deutlich abhebt. Genreübergreifende Kooperationen gehören für Decoder ebenso zum Programm wie ein weites musikalisches Spektrum, das von experimenteller Instrumentalmusik und multimedialen Setups bis hin zu Performance und Konzeptkunst reicht. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit mit Komponist:innen der jüngsten Generation und eine intensive Verschränkung von Produktion und Interpretation. Das Ensemble ist regelmäßig bei Festivals im In- und Ausland präsent. 2014 erschien eine Porträt-CD in Kooperation mit dem Deutschlandfunk Köln (Label Ahornfelder), 2019 eine zweite auf dem Label Wergo. Darüber hinaus gestaltet Decoder seit 2017 die Konzertreihe Unterdeck in der Elbphilharmonie Hamburg.

www.decoder-ensemble.de


Ein Projekt des Decoder Ensemble
decoder

Gefördert von

Musikfonds/BKM

 

Der Kompositionsauftrag wurde gefördert von der

ernst von siemens stiftung

consord

FR, 24. SEPT 2021, 20:00 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Werke von Joanna Wozny (UA) und Frederic Rzewski

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Joanna Wozny
diá/trans (UA)

Joanna Wozny
no nearer

Frederic Rzewski
Chains


consord
Pavel Tseliapniou: Flöten
Tamon Yashima: Oboe
Robert Beck: Klarinetten
Enrico Taubmann: Saxofone
Eugénie Ricard: Fagott
Yachu Yang: Horn
Danbie Lee: Trompete
Karsten Süßmilch: Posaune, Stimme
Jan Termath: Tuba
Gereon Voß, Felix Feßke: Schlagwerk
Deborah Rawlings: Piano
Stephan Wolke: E-Gitarre
Constantin Herzog: Kontrabass
Emanuel Wittersheim: Klangregie


Im ersten Konzert des Münsteraner Ensembles für Neue Musik consord auf der KLANGZEIT__#11 liegt der Fokus auf Werken der polnischen Komponistin Joanna Wozny (*1973). Hochkomplexe kompositorische Strukturen und die detailgenaue Auslotung instrumentaler und damit klanglicher Möglichkeiten sind prägende Merkmale ihres Schaffens, welches überwiegend kammermusikalische Kontexte in den Blick nimmt. Dynamische Ausdifferenzierung, spieltechnische Raffinessen und auskomponierte Flüchtigkeit einzelner Töne, wie entrückt von ihren Klangerzeugern, kulminieren zu einem musikalischen Gesamtbild. In no nearer (2017) zerlegt Wozny Klänge wie unter einem Mikroskop in einzelne Partikel. Als würde man stets von neuem einen Raum betreten, erscheinen immer gleiche „sonic images“ als zerstreuter Kanon, wirken Impulse als Echo nach. Dabei gelingt es der Komponistin, repetitive Strukturen gezielt aufzubrechen. In ihrem neuen Werk diá/trans (UA) geht es ebenfalls um Konstruktion und Dekonstruktion, um eine „ständige Verunklarung (scheinbar) zielgerichteter Prozesse“. Exit ist für die Komponistin kein endgültiger Zustand, sondern vielmehr ein Bewegungsmoment – Klänge bewegen sich auf der Schwelle zwischen Entstehen und Vergehen, zwischen Auftauchen und Verschwinden. Wozny lässt dabei stets von Neuem „Exit-Szenarien“ entstehen, indem bereits ausgearbeitete Strukturen verlassen und durchbrochen werden:

„Die Frage, welcher Endzustand erreicht werden sollte oder könnte, bleibt offen.“ (Joanna Wozny)

Joanna Wozny

Joanna Wozny (*1973, Polen) studierte Philosophie in Katowice sowie Komposition und Musiktheorie bei Gerd Kühr und Beat Furrer an der Kunstuniversität Graz. Sie erhielt zusätzlichen Kompositionsunterricht bei Younghi Pagh-Paan. Wozny erhielt diverse Preise und Auszeichnungen, darunter das Österreichische Staatsstipendium für Komponisten, den Erste Bank Kompositionsauftrag, SKE Publicity Award sowie den Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreis. Joanna Woznys Schaffen umfasst das gesamte Spektrum der Instrumentalmusik von Solo- und Kammermusikwerken bis zu Ensemble- und Orchesterkompositionen. Daneben entstanden auch elektronische Kompositionen sowie Werke für Chor und Gesang. Ihre Werke wurden u.a. durch das DSO Berlin, RSO Wien, Münchner Rundfunkorchester, Klangforum Wien, ensemble recherche, ensemble mosaik, Ensemble Ascolta, Neue Vocalsolisten Stuttgart und das Plural Ensemble aufgeführt und erklangen auf zahlreichen renommierten Festivals wie Wien Modern, Musikprotokoll Graz, Ultraschall-Festival Berlin, Warschauer Herbst, ECLAT-Festival Stuttgart, Klangspuren Schwaz, Forum Neuer Musik Köln, Musikprotokoll Graz, Wittener Tage für neue Kammermusik und ISCM World New Music Days 2013.

www.editionjulianeklein.de


Ebenfalls auf dem Programm steht Chains (1986) für Sprecher und Instrumente des amerikanischen Komponisten und Pianisten Frederic Rzewski (1938–2021). Die insgesamt zwölf Teile des Werks (gespielt werden neun) wirken in ihrer Kürze und Geschlossenheit wie Episoden einer thematisch lose gebundenen Erzählung. Die sprachgewandten Titel geben bereits erste Hinweise auf die eindeutig politische Durchdringung der Komposition, wie es für das Schaffen des Nachkriegs-Avantgardisten insgesamt zutreffend ist. Hauptbedeutungsträger in Chains ist der Sprechtext, eine Kompilation von u.a. rhythmisierten Texten anderer Autor:innen, vorzulesenden Ausschnitten aus tagesaktuellen Zeitungsartikeln sowie eigenen poetischen Fragmenten. Dabei steht der instrumentale Part mal kommentierend oder persiflierend am Rand, begleitet lebendig rhythmisiert und wirkt vom Jazz beeinflusst, steht melodiös im Schatten der Wörter oder sucht eigenwillige Wege der Selbstbehauptung. In den musikalischen Repetitionen, Verschiebungen, überlegten Kombinationen von Pattern sind außerdem die Einflüsse der Minimal Music hörbar. Niemals schmachtend tragisch, oft sarkastisch und auf den Punkt, manchmal geduldig abwartend behandelt Rzewski gewichtige Themen mit einer sehr unmittelbaren Musik.


Das Münsteraner Ensemble consord hat sich seit 2016 mit aktuell 15 Mitgliedern (von 2006 bis dahin als Sextett unter dem Namen ensemble:hörsinn) als Ensemble für Neue Musik mit eigenen Konzerten, Workshops sowie durch Einladungen zu Festivals einen Namen machen können. Ein Schwerpunkt auf Blasinstrumente und zuletzt die Erweiterung um Live-Elektronik und E-Gitarre machen das Ensemble einmalig in der Ensemble-Landschaft NRWs.

consord ist ein Ensemble für Neue Musik und bewegt sich damit am Puls der Zeit. Gleichzeitig ist die Neue Musik je nach Sichtweise schon über 100 Jahre alt. consord bemüht sich in diesem Rahmen darum, Programme zu gestalten, die die Menschen von heute betreffen – unabhängig vom Alter der Musik. Entscheidend ist, dass die Stücke zusammen passen. In unseren Programmen geht es um das Verhältnis der einzelnen Stücke zueinander. Sie ergeben ein großes Ganzes. Fast wie eine eigene Komposition. Dabei bedient consord klanglich die ganze Bandbreite von Bläserkammermusik bis zur Rockband.

Neben der vollen Besetzung von 15 Musiker:innen pflegt consord auch Teilbesetzungen mit Holzbläsern und Blechbläsern, jeweils ergänzbar durch Klavier, Schlagzeug oder Elektronik. Die Idee der Kammermusik in kleineren Teilensembles überträgt sich auch in das große Ensemble. Instrumentalist:innen, Dirigent:innen und Komponist:innen sind Partner auf Augenhöhe. Ziel ist immer ein kammermusikalisches Zusammenspiel.

www.consord.net

 

Ursula Bogner

FR, 24. SEPT 2021, 21:30 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Jan Jelinek plays Ursula Bogner / Ana Fosca / Ditterich von Euler-Donnersperg

aufabwegen: Elektronische Musik kuratiert von Till Kniola

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Jan Jelinek

Jan Jelineks Arbeiten befassen sich mit der Übersetzung von populären Musikquellen in abstrakte Texturen. Dabei kommen keine traditionellen Musikinstrumente zum Einsatz – vielmehr werden Collagen aus winzigen Klangpartikeln konstruiert. Seit 2000 veröffentlicht er sowohl unter seinem Namen als auch unter diversen Pseudonymen (u.a. Ursula Bogner). Jelinek kollaborierte mit Sven-Åke Johansson, Sarah Morris, Masayoshi Fujita und vielen anderen. 2007 gründete er mit Hanno Leichtmann und Andrew Pekler das Improvisationstrio Groupshow. Seit 2008 betreibt er das Label Faitiche als Veröffentlichungsplattform für seine eigenen Experimente, für Kollaborationen und für Werke befreundeter Musiker und seit 2012 schreibt und produziert Jelinek für den SWR experimentelle Radiostücke, die sich mit fiktionalen Identitäten und Klanglandschaften beschäftigen.

Ursula Bogner (1946–1994) war eine deutsche Pharmazeutin, Künstlerin und Musikerin. Sie nahm an Kursen mit Herbert Eimert, Gründer des Studios für elektronische Musik in Köln beim WDR teil. Begeistert von den neuen Klängen produzierte sie seit den späten 1960er Jahren im privaten Rahmen eigene Musik mit Synthesizer und nahm diese auf Tonband auf. Jan Jelinek erfuhr nur durch Zufall von der musikalischen Leidenschaft Ursula Bogners, als er vor längerer Zeit auf ihren Sohn traf. Schließlich publizierte Jelinek eine Kompilation der bislang kaum beachteten Tonbänder und -kassetten. Leider konnte Ursula Bogner an diesem Prozess nicht mehr teilhaben, da sie 1994 verstarb. Von einigen der Titel Bogners sind nur einzelne Spuren erhalten, sodass Jelinek das Originalstück durch Rekombination wiederherstellen musste. Obwohl nur ein kurzer Ausschnitt des kreativen Schaffen Bogners sichtbar gemacht wird, sind die gezeigten Werke sowohl in Form als auch Inhalt auf besondere Weise kohärent. Dieser Sinnzusammenhang spiegelt ihre zugängliche, rhythmische und manchmal „poppige“ Seite wider. Im Auswahlprozess ist jedoch auch der Einfluss Jelineks spürbar.

Jelinek bedankt sich bei der Familie, besonders bei Sebastian Bogner, für den gewährten Zugang zu den Bändern und für die wertvollen Einblicke in das Leben Ursula Bogners. „Ich hoffe, die Zuhörer empfinden das gleiche Hochgefühl, dass ich beim Entdecken der Musik von Ursula Bogner erfahren habe“ (Jan Jelinek).

www.janjelinek.com


Ana Fosca

Ana Fosca, das Sound-Projekt der dänischen Künstlerin Linn Hvid, steht ohne Zweifel für eine der mitreißendsten Seiten experimenteller Musik. Neben Auftritten in Kunstinstitutionen wagte Hvid ihre ersten musikalischen Vorstöße in der lebendigen Untergrundszene Kopenhagens. Insbesondere im Mayhem – einem der wichtigsten Spielorte für „extreme Musik“ mit seinen für die lokale Musikszene enorm wichtigen Studios – fand sich Hvid in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten wieder. Nach frühen Auftritten im Umfeld der Noise-Szene und als langjähriger Gast des Mayhem Noise Fest trat sie schon bald im Schmelztiegel selbstorganisierter Veranstaltungsorte und temporär angeeigneter Räumlichkeiten in Dänemark, Schweden und Deutschland auf. In dieser rauschhaften Zeit formte sich Ana Fosca. Hvids Aufnahmen und Performances sind durchdrungen von einer intuitiven Direktheit, die sich aus den Erfahrungen dieser intensiven Phase nährt.

Ana Fosca lässt sich dem Noise-Genre zuordnen. Doch stimmt auch das nur bedingt: Hvids Arbeit klingt nach Death Industrial, Dark Ambient oder sogar Drone, fasziniert aber mit einem turbulenten Sog zwischen Introvertiertheit und extrovertierten Zuständen. Experimentierdrang ist Hvids Antrieb, ihr Schaffen prallt mit einer Vielzahl von Soundpraktiken und Formen elektroakustischer Musik aufeinander. Ana Fosca lässt sich als gleichzeitig atemberaubend und meditativ, dabei im Wesentlichen zart beschreiben. Intensive Dringlichkeit und schockartige Klangsynthesen können blitzartig in wispernde Klagen und erstickende Besinnung umspringen. Immer wieder tauchen Themen wie Trauer und existenzielle Zerrissenheit auf. Die schroffe Lautheit ihrer Live-Auftritte wird durch ein intensives Verlangen nach Austausch mit dem Publikum ausgeglichen.

Hvids Debütalbum SOMA erschien 2020 unter dem russischen Label Nazlo Records und erhielt große Aufmerksamkeit. Die Helen Scarsdale Agency kürte das Album zu einem der besten Releases des Jahres, außerdem wurde es von der unabhängigen experimental Musik-Site Ukośnik ausgezeichnet. Ihr Auftritt mit Sortlegeme auf dem Mayhem Noise Fest 2020/2021 wurde von Martin Breidahls als eine der besten Performances des Jahres (Passive/Aggressive) ausgewählt.

Hvid spielte kürzlich in Kollaboration mit Vanity Productions, Posh Isolation’s Christian Stadsgaard. Sie trat beim The 48HOURS Festival in Kopenhagen, ETER Festival in Lund, Schweden sowie dem Berliner Autonoma Industrial auf. 2021 performt Ana Fosca auf dem DNA Festival Kolonia Gdańsk und dem LUFF Film Festival Lausanne mit einer quadrophonen PA.

www.facebook.com/ANAFOSCA


Ditterich von Euler-Donnersperg: Ein grauer Knurrhahn und Grummelsack, der eine Schule für Honiggewinnung und Schnittblumenzucht in Alt Wrietzen im Oderbruch betreibt. Steht neben Dr. Kurt Euler, dem Vorsitzenden der Parteikommission für Volksbildung und Kulturkampf beim ZK der Kommunistischen Einheitspartei Deutschlands (KED) in dem (ungerechtfertigten?) Ruf eines im Geiste Johann Gotthilf KLOPSTOCKs, des Lehrers einer irrenden Menschheit, wirkenden, sinnenfrohen Zuchtmeisters fehlgeleiteter junger, mitunter auch alter Menschen, welche in hemmungslosen Daseinsirrtümern schwelgen und ihr Leben von dessen Ende her betrachten. Tritt seit dem Rübenwinter 1946/47 als Sachwalter des Werkbundes und des traditionsreichen Tonverlages Walter Ulbricht Schallfolien unbedingt gegen Wirrnis und verstocktes, kleinbürgerliches Schwarzsehertum auf und betreibt unter den Leitgedanken Verdunkeln! Der Feind sieht dein Licht! Beginne den Tag mit Sterben! Das „Scheitern als schöne Kunst“.

Elefantenmann

Der alte Knurrhahn knurrt und knarzt mit seinem Knarzbrettchen.

Im Jahre 1980 gründete Euler-Donnersperg die WALTER ULBRICHT SCHALLFOLIEN Hamburg, welche sich im Geiste Walter Ulbrichts, des damals meistgehaßten Menschen der Erde, des Erbauers des Berliner Antifaschistischen Schutzwalls, unbedingt der Langsamkeit verpflichtet fühlen und unter dem Leitwort NEU KONSERVATIW die ehernen Werte des klassischen „Industrials“ zu pflegen bestrebt sind (vgl. SPK: The Cathedral of Death – Die Kultur der Todesverdrängung). Bis Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts veranstaltete Euler-Donnersperg zahlreiche Auftritte mit geistverwandten Klanggestaltern, u. a. mit Illusion of Safety, Jim O’Rourke, The Hafler Trio, Bourbonese Qualk, Nocturnal Emissions, Whitehouse, Gerechtigkeitsliga, The Legendary Pink Dots, Laibach, Asmus Tietchens. Gleichzeitig geben die Walter Ulbricht Schallfolien Dokumente der Gruppen SPK, Throbbing Gristle, Laibach, John Watermann, Asmus Tietchens, The Hafler Trio, Werkbund, Mechthild von Leusch, Column One, Evapori und Hyph heraus. Im Nebenamt Sachwalter des WERKBUNDES tritt Euler-Donnersperg mit Lesungen und Klangschöpfungen eigener Werke hervor – unter anderem mit Michael von Hausswolff, Leif Ellgren, Kent Tankred, The Hafler Trio, Asmus Tietchens, Dan Burke, Organum, John Duncan. Seit 1996 jährliche Herausgabe eines Heftes der Pelzwurstlieder, Bildschallplatte im handgestalteten Portfolio, Reimdichtungen im Geiste Klopstocks mit elektronischem Zuspielband: Zustandsbeschreibung der Welt mit den Augen der Listspinne, der Trugnatter, der Assel, der Klappnase, des Stachlers.

www.facebook.com/donnersperg

 

consord

SA, 25. SEPT 2021, 20:00 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Werke von Huihui Cheng (UA), Yannis Kyriakides (UA) und Alwynne Pritchard (UA)

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Für alle, die nicht live dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, das Konzert im Streaming zu verfolgen. Klicken Sie dafür hier!


Huihui Cheng
your humanity degree (UA)

Yannis Kyriakides
orbital (UA)

Alwynne Pritchard
Zwischen uns (UA)


consord
Pavel Tseliapniou: Flöten
Tamon Yashima: Oboe
Robert Beck: Klarinetten
Enrico Taubmann: Saxofone
Eugénie Ricard: Fagott
Yachu Yang: Horn
Danbie Lee: Trompete
Karsten Süßmilch: Posaune, Stimme
Jan Termath: Tuba
Gereon Voß, Felix Feßke: Schlagwerk
Deborah Rawlings: Piano
Stephan Wolke: E-Gitarre
Constantin Herzog: Kontrabass
Emanuel Wittersheim: Klangregie


Huihui Chengs Kompositionen charakterisieren sich durch ihre offene Form. Zufalls-Operationen, visuelle und theatrale Momente sowie einbezogene Objekte sind häufig Teil ihrer „theatralisch erweiterten Kompositionen“. Auch in your humanity degree (UA) stellt die Komponistin den Werkbegriff zur Disposition. Interaktiv bestimmen Zuschauer:innen und Ensemble den Verlauf des Stückes und sind dazu aufgefordert, auf unterschiedliche Weise aktiv den Entstehungsprozess der Musik zu steuern. Inspiration für das neue Werk lieferte der Jubilar Beethoven. Seine Auseinandersetzung mit den Idealen der französischen Revolution bildet die geistige Folie der Komposition. Thematisch daran ausgerichtete Statements sowie Anweisungen, welche die Zuhörerschaft per Smartphone einloggt, bilden den Ausgangspunkt des musikalischen Geschehens. Demokratisch und in ständiger Rückkopplung begriffen verklanglichen die Musiker:innen dann übermittelte Ideen, bestimmt das mündige Publikum das konkrete musikalische Ergebnis.

Huihui Cheng

Huihui Cheng (*1985, China) studierte Komposition, zunächst bei Guoping Jia am Central Conservatory of Music in Beijing, dann an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bei Caspar Johannes Walter, Marco Stroppa sowie Piet Johan Meyer (Elektronische Musik) und Martin Schüttler. Cheng erhielt zahlreiche Stipendien u.a. von der Kunststiftung Baden-Württemberg, Schloss Wiepersdorf, Künstlerhaus Schöppingen, Camargo Foundation, Royaumont Foundation sowie der Villa Massimo. Ihre Werke wurden u.a. beim Beijing Modern Music Festival, bei der Münchener Biennale, beim Tongyeong International Music Festival in Korea, bei Wien Modern, beim ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart und rainy days in Luxemburg aufgeführt. Für das Orchesterstück „Shining“ erhielt sie den ersten Preis beim Internationalen Isang Yun Kompositionspreis (2011) und für „Me Du Ça“ den Giga-Hertz- Produktionspreis des ZKM Karlsruhe und des SWR Experimentalstudio (2016). Sie veröffentlichte eine Porträt-CD in der Edition Zeitgenössische Musik in 2020 (WERGO).

www.huihuicheng.com


 

Sphärisch und ähnlich eines Objekts in einer Umlaufbahn bewegt sich Yannis Kyriakides in seinem neuen Stück orbital durch das pandemische Amsterdam. Mit einer audiovisuellen Partitur nimmt der Komponist und Soundartist sein Publikum mit auf einen urbanen Spaziergang durch eine hybride Klanglandschaft. Wie in einer Traumwelt schieben sich Klänge langsam durch den Raum, ziehen Flächen als Nebelschwaden vorbei und hinterlassen das Gefühl einer trügerischen Ruhe. Das Video enthält neben dezent platzierten melodischen Spielanweisungen 74 Bilder, die 2020 im ersten Lockdown entlang der Amsterdamer Ringautobahn entstanden sind. Im Dialog mit der Musik verzerren sich darin Gebäude, Straßenzüge, gar Pflanzen zu theatralen Szenerien und bilden einen Hintergrund für vordergründig installierte, organische Formgebilde. Mal flatternd, mal schwebend bewegen sich diese weißen Gestalten durch das Bild und evozieren im Zusammenspiel mit der Musik eine einzigartig hypnotisierende Atmosphäre.

Yannis Kyriakides

Yannis Kyriakides (*1969, Zypern) studierte nach seiner Emigration nach GB zunächst Musicology an der York University. Seit 1992 lebt er in den Niederlanden. Dort studierte er Komposition bei Louis Andriessen und Dick Raaijmakers. Er gewann mehrere Preise wie den International Gaudeamus Composition prize, den Dutch Toonzetters prize, Willem Pijper Prize sowie den International Rostrum of Composers Prize, seine CDs erhielten darüber hinaus zahlreiche Auszeichnungen. Kyiakides‘ Werk umfasst mehr als hundert Kompositionen, darunter überwiegend Musiktheater, Multimedia-Werke sowie elektroakustische Stücke für kammermusikalische Kontexte und große Ensembles. Seine Werke wurden weltweit auf namhaften Festivals aufgeführt. Als Komponist wurde er auf dem Huddersfield Contemporary Music Festival in 2007 sowie November Music in 2011 gefeatured. Für den niederländischen Pavillon der Biennale in Venedig steuerte Kyriakides zwei Werke bei. Zusammen mit Andy Moor und Isabelle Vigier gründete er das Label „Unsounds“ für neue elektronische Musik. Er ist Gründungsmitglied des Ensembles MAZE und unterrichtet Komposition am Royal Conservatory of Music in The Hague. Yannis Kyriakides lebt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Amsterdam.

www.kyriakides.com

Der Kompositionsauftrag wurde finanziert von der

ernst von siemens stiftung


 

Eine anders geartete Verbindung zu Beethoven findet die britische Komponistin Alwynne Pritchard in Zwischen uns (2020, UA). Darin bezieht sie sich explizit auf Beethovens Liederzyklus An die ferne Geliebte aus dem Jahr 1816. Die Liedtexte mit Überschriften wie Auf dem Hügel sitz ich spähend oder Nimm sie hin denn, diese Lieder, verfasst vom österreichischen Arzt und Autor Alois Jeitteles (1794–1858), wurden damals nur durch Beethovens Partitur veröffentlicht. Die Komponistin zerlegt diese (Liebes-)Gedichte und collagiert sie als Sprechaktionen. Pritchards Werk ist nicht nur für das Ensemble consord geschrieben und ihm gewidmet – die Musiker:innen waren auch selbst am Kompositionsprozess beteiligt. Mitglieder der Formation steuerten im Vorfeld dreitönige Tonfragmente bei, auf welchen wiederum Teile der Komposition aufbauen.

Alwynne Pritchard

Alwynne Pritchard (*1968) ist eine britische Komponistin, Performerin und Autorin. Pritchard erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, darunter auch ein Arbeitsstipendium der Villa Concordia in Bamberg 2006/07. Ihre Werke wurden u.a. durch das Arditti String Quartet, Athelas Ensemble, BBC und BBC Scottish Symphony Orchestra, Christian Dierstein, The Duke String Quartet, de ereprijs, ensemble recherche, Gemini, Nicolas Hodges, Ixion, John Kenny, Carin Levine, The London Sinfonietta, Lontano, Loré Lixenberg, Darragh Morgan, New Music Players, Nieuw Ensemble, Ian Pace, Jonathan Powell, Maja Ratkje, Parkinson Saunders, Pow Ensemble, Reservoir, Elena Riu, Jarle Rotevatn, Sarah Nicolls, Schubert Ensemble und Uroboros Ensemble aufgeführt. Daneben trat sie in zahlreichen Bühnenproduktionen europaweit auf. Alwynnes Schaffen umfasst auch die Arbeit als Autorin und Moderatorin für BBC Radio, als Kompositionslehrende am Trinity Laban in London und als Künstlerische Leitung sowohl des Borealis Festivals wie auch des BIT20 Ensembles in Bergen. 2015 gründete sie gemeinsam mit ihrem Partner Thorolf Thuestad die Musiktheater-Company Neither Nor. 2017 erschien up without an insistent casting away, eine Sammlung von Texten für raumspezifische Sound-Performances, beauftragt für die Eröffnung des neuen Departments für Kunst, Musik und Design der Universität Bergen. Alwynne lebt aktuell in Bergen, Norwegen.

www.alwynnepritchard.co.uk


 

Das Münsteraner Ensemble consord hat sich seit 2016 mit aktuell 15 Mitgliedern (von 2006 bis dahin als Sextett unter dem Namen ensemble:hörsinn) als Ensemble für Neue Musik mit eigenen Konzerten, Workshops sowie durch Einladungen zu Festivals einen Namen machen können. Ein Schwerpunkt auf Blasinstrumente und zuletzt die Erweiterung um Live-Elektronik und E-Gitarre machen das Ensemble einmalig in der Ensemble-Landschaft NRWs.

consord ist ein Ensemble für Neue Musik und bewegt sich damit am Puls der Zeit. Gleichzeitig ist die Neue Musik je nach Sichtweise schon über 100 Jahre alt. consord bemüht sich in diesem Rahmen darum, Programme zu gestalten, die die Menschen von heute betreffen – unabhängig vom Alter der Musik. Entscheidend ist, dass die Stücke zusammen passen. In unseren Programmen geht es um das Verhältnis der einzelnen Stücke zueinander. Sie ergeben ein großes Ganzes. Fast wie eine eigene Komposition. Dabei bedient consord klanglich die ganze Bandbreite von Bläserkammermusik bis zur Rockband.

Neben der vollen Besetzung von 15 Musiker:innen pflegt consord auch Teilbesetzungen mit Holzbläsern und Blechbläsern, jeweils ergänzbar durch Klavier, Schlagzeug oder Elektronik. Die Idee der Kammermusik in kleineren Teilensembles überträgt sich auch in das große Ensemble. Instrumentalist:innen, Dirigent:innen und Komponist:innen sind Partner auf Augenhöhe. Ziel ist immer ein kammermusikalisches Zusammenspiel.

www.consord.net

 


Kunststiftung NRW
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW

Asmus Tietchens

Asmus Tietchens

SA, 25. SEPT 2021, 21:30 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123

Anna Schimkat / Asmus Tietchens / Jetzmann

aufabwegen: Elektronische Musik kuratiert von Till Kniola

Online-Vorverkauf hier!

Für alle, die nicht live dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, das Konzert im Streaming zu verfolgen. Klicken Sie dafür hier!


Anna Schimkat

Als bildende Künstlerin entwickelt Anna Schimkat ihre Arbeiten an der Grenze zwischen Skulptur und Klang. Sie interessiert sich für die bewusste Wahrnehmung von alltäglichen Klangräumen, die sie als Konzert oder Installation in einem multidisziplinären Ansatz bearbeitet. Der gefundene Ton der Dinge und Umgebung ist Inspiration und Grundlage. Neben Arbeiten im öffentlichen Raum waren ihre Werke international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, u.a. La Station Vastemonde (St. Brieuc, Frankreich), obPHON Hörkunsttage (Kirschau), Galerie Eigen+Art (Berlin), Galerie 3 Ringe (Leipzig), Goethe-Institut (Damaskus, Syrien), Kunstraum Michael Barthel (Leipzig), 24 Gauche Serie (Montreal, Kanada), RumpstiPumsti (Musik) (Berlin), Springhouse (Dresden), ausland (Berlin), Longbridge Light Festival (Birmingham, Großbritannien), Festival für experimentelle Musik (München) und beim Vadehavsfestival (Blavandshuk, Dänemark). Seit 2006 lebt Schimkat in Leipzig.

www.annaschimkat.de


Asmus Tietchens

Asmus Tietchens (*1947) ist seit 1975 freier Musiker. 1980 erschien sein erstes Soloalbum Nachtstücke. Nach eher rhythmisch-harmonisch bestimmten LP-Veröffentlichungen Anfang der 1980er Jahre auf dem Label Sky erschien 1984 auf United Dairies mit Formen letzter Hausmusik ein Industrial-Album, das Tietchens’ musikalische Interessen klar formulierte: Geräusche werden bearbeitet, dabei mitunter bis zur Unkenntlichkeit verfremdet und in neue Zusammenhänge gestellt. Inzwischen hat Asmus Tietchens über 80 Alben auf internationalen Labels veröffentlicht, auf denen er oft die klanglichen Möglichkeiten einzelner Quellen untersucht hat (vom Wasser bis hin zum reinen Sinuston). Als Nebenprojekt existiert die Phantasieband Hematic Sunsets. Tietchens’ Arbeit ist ein skeptischer Gestus zu eigen, der sich nicht zuletzt in den regelmäßigen Zitaten des Philosophen E.M. Cioran auf seinen Tonträgerhüllen zeigt. Asmus Tietchens äußert sich regelmäßig in Essays zu seiner Arbeit und den Gepflogenheiten der Geräuschmusik. Asmus Tietchens wurde zweimal der renommierte Karl-Sczuka-Preis des Südwestrundfunks (SWR) verliehen: 2003 für Heidelberger Studien 1–6 und 2006 für Trois Dryades. Er lebt und arbeitet in Hamburg.

www.tietchens.de


Jetzmann (aka Horst Petersen) wurde musikalisch durch Bands wie Die Erde, Mastino u.a. sozialisiert (s. Filmdokumentation Die Liebe frisst das Leben von Oliver Schwabe). Er konzentrierte sich nach der Jahrtausendwende auf die Produktion von Bühnenmusik und Radioarbeit und komponierte Musik vor allem für die Aufführungen von Jenny Beyer, u.a. auch für die Choreografinnen/Regisseurinnen Begüm Erciyas, Emilie Girardin Dobosiewicz und Gloria Hoeckner.

Er produziert zwei regelmäßige Radiosendungen beim Hamburger Sender FSK: Radio Gagarin mit Asmus Tietchens und den wöchentlichen AUSFLUG. Im Konzert bindet er Elemente von Improvisation und Geräusch in Loops und Kippfiguren aus Rhythmus und metabolistischem Arhythmus ein, benutzt Sampler, Synthesizer, Stompboxen und liest kurze Texte. Seine letzte Vinyl-Veröffentlichung ist die Single Bullenwagen klaun und die Innenstadt demolieren zusammen mit Ale Dumbsky als Jetsky (riotbikerecords, vergriffen). In den letzten Jahren wurde seine Musik auf verschiedenen digitalen Compilations publiziert. Ende 2020 erschien die LP Use the Air bei aufabwegen.

www.jetzmann.de

European Music Project

SO, 26. SEPT 2021, 15:00 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Werke von Oxana Omelchuk (UA), Giacinto Scelsi und George Crumb

Online-Vorverkauf hier!

Für alle, die nicht live dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, das Konzert im Streaming zu verfolgen. Klicken Sie dafür hier!


 

Oxana Omelchuk
Carte Blanche (UA)

Giacinto Scelsi
Khoom

George Crumb
Black Angels


European Music Project
Anna Clementi: Stimme
Elena Kakaliagou: Horn
Adam Weisman: Perkussion
Antonis Anissegos: Klavier, Perkussion
Wolfgang Bender: Violine
Salma Sadek: Violine
Miriam Götting: Viola
Mathias Mayr: Cello

Jürgen Grözinger: Dirigent, Perkussion


Carte Blanche (UA) für Klavier, Streichquartett und Schlagzeug von Oxana Omelchuk ist eine Reaktion auf die jüngsten Ereignisse in Belarus, dem Heimatland der Komponistin. Entsetzt und fassungslos in Anbetracht der brutalen Unterdrückung der Proteste im Land zeigt sie mit ihrer Arbeit eine ganz eigene Art, mit den politischen und sozialen Geschehnissen umzugehen. Inspiriert von René Magritte wählt sie für das neue Werk eine andere Herangehensweise. Nicht mit Angst, sondern mit dem Mittel der Bezauberung stellte sich Magritte dem Schlechten in der Welt entgegen.

„Kann sein, dass manche eine solche Kunstauffassung als eine Art Flucht, einen feigen Austritt aus der Realität bezeichnen würden. Trotzdem scheint mir die Taktik des Gegenangriffes (über die auch Magritte spricht) als einzige Form, der absurden Gewalt etwas Radikales entgegen zu setzten. In diesem Stück habe ich entschieden, diesen Weg einzuschlagen.“

Wie in vielen ihrer Werke verarbeitet die Komponistin persönliche musikalische Einflüsse. Neben Brahms’ Intermezzo op. 118, liegen Carte Blanche belarussische Gesänge zu Grunde. Mit ihnen wird die Hoffnung auf „Verzauberung“ weitergetragen – eine Hoffnung, welche weißrussische Frauen zu besänftigendem Singen von Schlafliedern für ein brutales Regime bewegte.

Oxana Omelchuk

Oxana Omelchuk, in Belarus geboren, studierte bei Johannes Fritsch und Michael Beil an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Neben ihren kompositorischen Tätigkeiten tritt sie als Musikerin in verschiedenen Formationen auf, zum Beispiel im Duo mit Constantin Herzog (analoge Synthesizer und Kontrabass), im Quartett MONOPASS mit Florian Zwißler, Luís Antunes Pena und Mark Polscher (analoge Synthesizer) sowie im Simon Rummel Ensemble. Omelchuks Musik wurde u.a. vom Ensemble Musikfabrik, dem SWR Vokalensemble, Studio Dan, dem Klangforum Wien, Radio-Symphonie Orchester Wien und dem Ictus Ensemble aufgeführt, u.a. bei ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, ECLAT Stuttgart, Wien Modern, Afekt Festival Tallinn, musikprotokoll Graz, Ars Musica Brüssel und dem Warschauer Herbst. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen und Stipendien, darunter das Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium der Stadt Köln (2006) und ein Aufenthaltsstipendium in der Künstlerresidenz Villa Aurora Los Angeles/USA (2018). Im Oktober 2019 wurde ihre Porträt-CD der Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrates veröffentlicht. Zudem wurde sie 2019 für den Deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie Ensemble mit Elektronik nominiert.

www.oxanaomelchuk.com


Khoom (1962) von Giacinto Scelsi entzieht sich, wie auch seine Person selbst, einer klaren Einordnung. Scelsi verschleierte zeitlebens seine eigene Biografie und sah sich mehr als wiedergeborenes Medium denn als Komponistenpersönlichkeit. Typisch für das spätere Schaffen des italienischen Komponisten ist, wie in Khoom zu hören, die Fokussierung auf einen Zentralton, welcher mikrotonal moduliert und mit feinen Nuancen instrumentiert wird. Dies begründet auch die Wahl der BesetzungDer Untertitel, Sieben Episoden einer ungeschriebenen Erzählung von Liebe und Tod in einem fernen Land, ist das sprachlich konkreteste Element des gesamten Stückes. Eigene Wortschöpfungen deuten in ihrer Undeutlichkeit eine Ferne an, deren Unbestimmtheit durch episodenartig hervorgerufene Zustände nur noch verstärkt wird.


Aus noch viel düsterer Ferne kommt die Musik in Black Angels (1970) von George Crumb. In diesem Werk für „elektronisches Streichquartett“ lassen bereits symbolische Untertitel wie Lost Bells, Danse Macabre und Threnody (Totenklage) das musikalische Geschehen erahnen. Neben Anspielungen, etwa an Schuberts Quartett Tod und das Mädchen, findet sich im Werk auch eine strukturgebende Zahlensymbolik: Black Angels gliedert sich in dreizehn Bilder (Images from the Dark Land) und ist auf Freitag, den 13. März 1970 datiert – versehen mit der Anmerkung, dass das Werk zu Kriegszeiten geschrieben wurde. Crumbs Verweis auf den Vietnamkrieg offenbart die Luzidität seines kompositorischen Schaffens gegenüber äußeren Einflüssen und offenbart die politische Dimension des Werks.


Das Berliner Ensemble European Music Project (EMP) widmet sich zeitgenössischer Musik auf unterschiedlichste Weise, besonders durch innovative Programmgestaltung und durchdachte Präsentationsformen für ganz unterschiedliche Publikumskonstellationen. Das Ensemble, geleitet von Jürgen Grözinger, spielt in Formationen vom Trio bis zum Kammerensemble. Die Kernbesetzung besteht aus Stimme, Perkussion/DJ, Klavier/Keyboard, zwei Violinen, Viola, Cello und Kontrabass. Seit 1996 ist EMP Ensemble-In-Residence im Festival Klanghaus/neue musik im stadthaus in Ulm. Rundfunk- und CD-Produktionen gab es für WERGO, Cantaloupe Music (New York), Deutschlandfunk, SWR, SR und BR. EMP hat bereits mit Komponist:innen wie Klaus Huber, Michael Nyman, David Lang, Laurie Schwartz, Samir Odeh-Tamimi, Violeta Dinescu, Stepha Schweiger, Minas Borboudakis, Bernd Franke, Sandeep Bhagwati sowie zahlreichen renommierten Sänger:innen und Instrumentalist:innen gearbeitet. Projekte und Einladungen führten EMP u.a. zu Spazio Musica (Cagliari), Tête à Tête (London), Louisiana Museum (Kopenhagen), Janacek Academy (Brno), Kasseler Musiktage, Festival Europ. Kirchenmusik (S. Gmünd), Musik 21 (Hannover), Staatsgalerie Stuttgart, Mozartfest Augsburg, Chiffren Kiel, Radialsystem Berlin sowie BKA, Philharmonie, Konzerthaus Berlin.

www.emp-music.de

 

King Übü Örchestrü

SO, 26. SEPT 2021, 20:00 UHR | Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123
Reunion-Konzert des legendären europäischen Improvisations-Ensembles

Online-Vorverkauf hier!

Für alle, die nicht live dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, das Konzert im Streaming zu verfolgen. Klicken Sie dafür hier!


King Übü Örchestrü

Axel Dörner: Trompete
Marc Charig: Trompete, Althorn
Matthias Muche: Posaune
Melvyn Poore: Tuba
Stefan Keune: Saxophon
Phillipp Wachsmann: Violine
Alfred Zimmerlin: Violoncello
Erhard Hirt: Gitarre & Elektronik
Hans Schneider: Kontrabass
Paul Lytton: Perkussion


Bereits Ende der 1960er-Jahre zeichnete sich eine Entwicklung in der europäischen improvisierten Musik ab, die sich deutlich vom schwarzen amerikanischen Free Jazz eines Albert Ayler oder John Coltrane abhob. Die britische music improvisation company oder die italienische gruppo di improvisazzione nuovo consonantia (bei der Ennio Morricone, damals schon weltbekannter Filmkomponist, mitwirkte!) erschufen eine Musik, bei der sensible Klangereignisse und eine eher der Neuen Konzertmusik ähnelnde Art der musikalischen Konstellationen mit radikalem Einsatz von Geräuschklängen dem New Yorker Power Play entgegenstanden. Eine ganz neue improvisatorische Kommunikation entstand.

In Deutschland fand zu Beginn der 1980er Jahre das Quartett XPACT zusammen, das diesen radikalen Weg konsequent weiterging. Insbesondere der subtile Einsatz von Elektronik, gepaart mit gekonnten erweiterten Spieltechniken auf den akustischen Instrumenten sorgte für neue, nie gehörte Klänge. Als working band arbeiteten die vier Mitglieder fest zusammen und bildeten später die Basis für das großformatige Ensemble King Übü Örchestrü, ein Name, der augenzwinkernd auf den Bürgerschreck Alfred Jarry verweist.

Übü machte sich schnell einen Namen als Pool unterschiedlichster, aber immer sehr profilierter europäischer Improvisationskünstler. Der schwierige Weg, alle Instrumentalisten gleichberechtigt zu behandeln und sich von den auch im Free Jazz noch existenten Vorstellungen vom „Solisten“ konsequent zu verabschieden, gleicht einer Sozialutopie und hat durchaus gesellschaftliche Sprengkraft.

Der Musikkritiker Hans Rempel hat das so beschrieben: Hier nun werden verstärkt unterschiedliche, in sich kontrastierend angelegte Charaktere und Elemente von Charakteren in den Raum gestellt, miteinander konfrontiert und entwickelt. Das geschieht innerhalb des gesamten Ensembles, aber auch im Innern der einzelnen Stimme selbst. Somit realisiert sich bei „übü“ eine vom US-amerikanischen Free Jazz deutlich abgehobene Horizontal- und Vertikal-Struktur, die ihre Wurzel mehr in mittel-europäischen Traditionen der Neuen Musik als in Übersee hat.

Übü bildete in den 1980er Jahren eine singuläre Erscheinung in der europäischen Musiklandschaft. Mit ungeheurem Einfluss, wie man feststellen kann, wenn man heute Spielorte avancierter Musik z.B. in Berlin oder Köln besucht: das Spiel mit austarierten Klängen, einer Raumstruktur und der radikalen Gleichberechtigung aller Instrumente wird von weiten Teilen der jungen Generation als selbstverständliches Erbe angesehen. Hier realisiert sich das, was Ornette Coleman (auch ein Sozialutopist) einst meinte: Let’s play the music, not the background!

(Thorsten Töpp)